1. |
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Ich träumte vergangene Zeiten,
Ich träumte verrauschten Traum -
Von goldig beschwingten Vögeln
Und goldner Wolken Saum.
Froh schwirrten die Vögel und sangen
Viel Klänge aus alter Zeit,
Es zogen die goldenen Wolken
Zu luftigen Bildern gereiht.
Zu Bildern der freundlichen Jugend
Verschwamm sich der spielende Schwarm,
Ich grüßte die kräftigen Freunde
Und wiegte mein Mädchen im Arm.
Hoch über uns wölbte aus Rosen
Sich lustig ein schimmerndes Dach. --
Ich träumte so selig, da dröhnte
Die Abendglocke mich wach.
Auf schneeichten Wintergefilden
Sank leuchtend die Sonne herab. -
Noch einmal ins Land der Gesänge!
Dann, Sonne, mit dir ins Grab. -
Nach Theodor Storm - "Des Alten Traum"
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2. |
Sonnenuntergang
03:27
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Er blickt, ein kleiner König,
Wohl in sein Reich hinaus,
Die Wolken ziehen oben,
Der Wind geht ein und aus;
Du hast das Aug’ geblendet,
O Abendsonnenlicht,
Und da es ab sich wendet,
Da sieht es fürder nicht.
Und da es ab sich wendet,
Erscheinet fahl und grau,
Was sonst ihm Balsam spendet
In Wald und Flur und Au’,
Es möcht herniedersinken
Mit dir ins Abendrot
Und ruhen dort und trinken
Und trinken sich zu Tod.
Hugo Lissauer
Aus der Sammlung Natur und Leben
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3. |
Nach Mitternacht
04:01
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Sprecht, ihr mitternächt'gen Sterne,
Neigt ihr euch zum Untergang?
Weht schon Morgenluft von ferne?
Sinkt der Mond am Bergabhang?
Laßt mich wachen, laßt mich schauen,
Wie die Nacht in Tag vergeht,
Wenn im hellen Ätherblauen
Nur der Morgenstern noch steht.
Augen, vor dem Tod erstarrend,
Hab' ich trauernd zugedrückt,
Blumen, noch des Tages harrend,
Oft mit Tränen abgepflückt.
Stürzen sah ich stolze Bäume,
Sah viel Glück vom Sturm verwehn –
Laßt mich einmal Nacht und Träume
Sehn in Licht und Tag vergehn!
Herrmann von Lingg
Aus der Sammlung Vermischte Gedichte
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4. |
Heim kehr ich
04:27
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ist Fremde nicht längst mein Zuhaus?
Allein und Heim wird mir zum Reim.
Kein Mond steht über meinem Haus.
Heim kehr ich. Kehr ich wirklich heim,
Heim kehr ich. Kehr ich wirklich heim,
Heim kehr ich. Kehr ich wirklich heim,
ist Fremde nicht längst mein Zuhaus?
Allein und Heim wird mir zum Reim.
Kein Mond steht über meinem Haus.
Heim kehr ich. Kehr ich wirklich heim,
Und schloß ich dann das Tor, verlor
ich auch der Straßenlampe Gruß.
Als ob sich's wider mich verschwor,
bleibt alles stumm, was reden muß...
Im Schweigen harr ich wie verbannt,
nur Traumbild ist Schnee und Latern,
ich bin allein in totem Land:
der letzte Mensch auf letztem Stern.
Nach Max Herrmann-Neisse - "Der letzte Mensch"
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5. |
Beim Wein
03:33
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Finster sitz' ich und alleine
Und bedenk' der Dinge Lauf,
Und aus meinem gold'nen Weine
Tauchen alte Bilder auf.
Durch die Welt bin ich gewandelt,
Nahm die Welt, wie sie sich giebt;
Viele haben mich mißhandelt,
Wen'ge haben mich geliebt. -
Das Gewölk, das donnerschwere,
Löst in Regen sich gemach,
Durch die reine Atmosphäre
Dämmert schon der junge Tag.
Und mit Andacht und Verständnis
Setz' ich fester mich an's Glas;
Seltsam ist doch die Bewendnis
Um solch' edles Traubennaß.
Ist denn Alles ganz verwandelt?
Wie sich Bild auf Bild verschiebt!
Viele haben mich mißhandelt,
Wen'ge haben mich geliebt. -
Nach Arthur (Heinrich Wilhelm) Fitger
Aus der Sammlung Credo
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6. |
Dunkelheit
04:28
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Wie mich doch ferner Tod
seltsam bedrängt,
während das Abendrot
über mir hängt.
Hörnerklang, Trommelspiel
hör ich darin,
Blut fließt aus Wunden viel
über mir hin.
Brennender Dörfer Rauch
trübt alles Land,
sterbender Menschen Hauch
streift mir die Hand.
Aus roter Wolke fällt
Haß in die Zeit.
Nacht, komm und füll die Welt
mit Dunkelheit.
Nach Alfons Petzold - "Im Abendrot"
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7. |
Müder Wille
03:26
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Du weißt: mein müder Wille
lag vor dir auf den Knien,
und flehte“ Sei die Stille“
Und du erhörtest ihn.
Du sahst: in heißem Hauchen
Ward Kranz und Kraft ihm alt,
Und er muß Kühle brauchen -:
Da warst du wie der Wald.
Und hattest tausend Tiefen,
Und wurdest wild und weit,
Und viele Stimmen riefen
Aus deiner Seltsamkeit.
Rainer Maria Rilke
Aus der Sammlung Dir zur Feier
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8. |
Rettung
04:38
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Wenn die Welt dich hart bedrängt,
Alle Sterne dir entschwinden,
Dich dein liebstes Leben kränkt:
Sprich! wo willst du Rettung finden?
Greife nicht nach Außen hin!
Leicht wirst du durch Schein betrogen!
Traue nicht auf Menschen-Sinn!
Wieder lügt, wer einst gelogen!
Aber steig‘ hinab in dich!
Kräfte, welche lange schliefen,
Hält dein unergründlich Ich
Tief in seinen innern Tiefen.
Du bist Herr in deiner Welt!
Hast du dich, so hast du Alles! –
Lächelst, wenn dein Glück zerfällt,
Ruhig seines wilden Falles.
Bleibst du so dir selbst getreu:
Dann kann dich kein Schicksal ketten;
Gott ist in dir! atme frei!
Trau‘ auf ihn, er wird dich retten!
Siegfried August Mahlmann
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9. |
Ein schwarzes Blatt
04:01
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Granitgebirge stehen
Am dunklen Erdenrand;
Des Weltmeers Wogen gehen
Um ihre Riesenwand.
Es stammen heil'ge Feuer
Darauf in lichtem Schein;
Blutrothe Ungeheuer
Seh'n in die Gluth hinein.
Der wild'sten Geister Sitze,
Dort sind sie aufgestellt;
Dort holen ihre Blitze
Die Wetter dieser Welt.
Und fährt von diesen Flammen
Einst eine über Land;
Dann schrumpft die Welt zusammen
Und stöhnt in Gluth und Brand.
Wild wird's dann auf der Erde,
Ein feurig böses Jahr;
Aufsprüht die Gluth am Herde,
Die Kerze am Altar.
Dann welken alle Halme,
Die Wälder stürzen ein;
Es zuckt sogar im Qualme
Der Todten mürb' Gebein.
Und nimmer stirbt und endet
Das Elend und der Wahn,
Bis seine Sturmfluth sendet
Erzürnt der Ocean.
Dann weichen sie, die Flammen,
Die wilde Gluth verlischt;
Und drüber schlägt zusammen
Die Woge, daß es zischt.
Dann glänzt in mild'rem Lichte
Die Welt, noch krank und matt,
Und nur in der Geschichte
Weht noch ein schwarzes Blatt.
Nach Max Haushofer - "Flammende Zeiten"
Aus der Sammlung Vermischtes
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10. |
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Mir rinnt die schwere, schwarze Flut
von Stirn und Nacken auf die Hand,
seitdem dein schönes, junges Blut
versickerte in Schutt und Sand.
Wohl kommt noch manchesmal der Wind,
hebt mir den Schleier vom Gesicht,
ich aber, licht — und lebensblind,
ich seh dich nicht, ich seh dich nicht!
Ja, wäre nur ein Hügel mein,
mit wenig Blumen ausgeschmückt,
die Handvoll Land, der Zweig, der Stein,
danach du dich zuletzt gebückt!
Wie wär ich stark in aller Not,
die mir ein letztes Zeichen gab!
So nahm mir räuberischer Tod
mit deinem Leben auch dein Grab.
Der Totenvogel schluchzt und singt
in mancher Nacht vor unserm Haus.
Daß sie mir letzte Kunde bringt,
schick ich dann meine Sehnsucht aus.
Doch immer, immer bleibt es Nacht.
Ich kann nicht sehn, kann dich nicht sehn,
und muß in schwerer Witwentracht
als dein lebendiges Grabmal gehn.
Nach Karl Bröger - "Klage der Witwe"
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